Für das Leben, gegen den Tod! 

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Gegen jeden Antisemitismus und Islamismus! 

Was sich am vergangenen Samstag in Israel zugetragen hat, war der schlimmste Angriff auf jüdisches Leben seit der Shoah. Seither wurden noch nie so viele Jüdinnen*Juden an einem Tag ermordet wie an diesem Samstag. Laut aktuellen Informationen liegt die Zahl der Ermordeten bei über 800 Menschen, Tausende wurden verletzt. Die Mörder filmten ihre Taten voller Stolz und verbreiteten sie teilweise via Livestream. Menschen wurden massenweise erschossen, vergewaltigt, verschleppt. Familien wurden samt ihren Kindern gequält und ermordet. Bei einem Angriff auf ein Musikfestival wurden alleine über 260 Menschen massakriert. Die entstellte Leiche einer toten Frau wurde auf einem Pickup wie eine Trophäe zur Schau gestellt und von einer jubelnden Menge bespuckt. 

Was sich am Samstag gezeigt hat war ein antisemitisches Pogrom. Die Hamas hat das in die Tat umgesetzt, was sie schon seit Jahrzehnten als ihr politisches Programm formuliert: Die Vernichtung jüdischen Lebens. Finanziert wurde dieses Pogrom maßgeblich vom iranischen Mullah-Regime und seinen Verbündeten.

Die Reaktionen auf diese unfassbare Grausamkeit haben uns ebenso fassungslos gemacht. Ein erschreckend großer Teil der Linken schwankt zwischen heimlicher und offener Bewunderung für die islamistischen Mörder und versucht deren Gewalt als „Widerstand“ zu verklären. Neonazis und „Identitäre“ solidarisieren sich mit dem „palästinensischen Kampf“. Islamist*innen bejubeln den Krieg gegen die „Ungläubigen“. Rechte missbrauchen sofort die Geschehnisse für ihre rassistische Propaganda. Und in so manchen Kommentarspalten macht sich eine Menschenfeindlichkeit breit. Dass es sich bei den Ermordeten und Verschleppten um Jüdinnen*Juden handelt ist leider eine sehr einleuchtende Erklärung für die Empathielosigkeit gegenüber den Opfern. In diesen Reaktionen ist die gesamte Geschichte von antisemitischen und antijüdischen Ressentiments aufgehoben, die sich immer wieder in offenem Hass und Gewalt artikuliert hat. Auch im Mittleren Osten, wo Jüdinnen*Juden schon immer als entrechtete Minderheit gelebt haben, diskriminiert und ausgeschlossen wurden, kam es immer wieder zu antisemitischen Pogromen.

Viele argumentieren, dass die aktuelle Gewalt gerechtfertigt sei, weil auch Palästinenser*innen viel Gewalt und Leid angetan wurde, diese auch an Unterdrückung durch den israelischen Staat leiden würden. Mit dieser Logik lässt sich auch der Terror des Daesh/IS rechtfertigen, in dieser Denke ist deren islamistische Gewalt auch nur legitimer Widerstand gegen die Kriege und das Leid, die die Menschen in der Region erleben mussten. Es steckt jedoch viel mehr dahinter: Die Hamas und der IS sind Brüder im Geiste, Islamismus eine transnationale Bedrohung, eine faschistische Ideologie, die wir auch als solche bekämpfen müssen. In den meisten Diskursen der europäischen Linken werden Palästinenser*innen als bloße Reaktionspuppen betrachtet, die ganz in Tradition des europäischen Blickes auf den Mittleren Osten nur reagieren, nie agieren können. Die politische Ideologie, die hinter den Angriffen der Hamas oder anderer islamistischer Grupperungen steht, fällt dabei unter den Tisch oder wird nicht ernst genommen. 

„Selbst nach einem Genozid und unbeschreiblichen Verbrechen hast du in fünf Jahren kurdischen Krieg gegen den IS niemanden gesehen, der mit toten Kämpfern posiert geschweige denn mit toten Zivilist:innen. Zeig mir deinen „Widerstand“ und ich zeige dir was du aufbauen willst“, kommentiert dazu Dastan Jasim. Nichts rechtfertigt diese Morde. Und hinter diesen Angriffen steckt eine faschistische Ideologie die es zu bekämpfen gilt, anstatt sich mit ihr zu solidarisieren, eine Ideologie unter der Menschen und besonders Linke, Frauen und Queers in der ganzen Region leiden. Wir sehen es im Iran, wo Proteste von Menschen, die für ihre Freiheit und gegen Tugendterror, Patriachat und Unterdrückung kämpfen, blutig niedergeschlagen werden. Wir sehen es in Afghanistan, wo unter der erneuten Terrorherrschaft der Taliban jede Emanzipation im Keim erstickt wird. Wir sehen es aber auch in Gaza, wo die Hamas an der Macht ist, wo jede emanzipatorische Organisierung, wie in Gewerkschaften oder als soziale Proteste, brutal zerschlagen werden.

Alle, die sich noch vor ein paar Monaten unter “Jin, Jiyan, Azadi”, dem Slogan der kurdischen und iranischen Freiheitsbewegung, wiedergefunden haben und sich nun mit der Hamas solidarisieren, haben nichts verstanden. Das iranische Regime finanziert nicht nur die Hamas und die Hisbollah, sondern antisemitischen Terror weltweit. In Gaza werden öffentlich Gebete gesprochen, wenn die Türkei mit ihren jihadistischen Verbündeten wieder kurdische Gebiete angreift und Minderheiten massakriert. 

Die Erklärungen mancher linker Gruppen sind dermaßen verharmlosend und zeugen von einem Halbwissen, das sich nahtlos in die Propaganda von Hamas und Co eingliedert. Es ist erschreckend, dass eine radikale Linke, die von sich selbst behauptet gesellschaftskritisch zu sein, diesen Anspruch bei dem Thema immer komplett aufgibt. Hier zeigt sich die Unkenntnis der realen Verhältnisse im Mittleren Osten und der Geschichte des arabischen Nationalismus (der offen mit den Nazis kollaborierte) und Islamismus (der aus dem Scheitern des arabischen Nationalismus entstand), wie das totale Fehlen einer Staatskritik, die ihren Namen auch verdient. 

Israel kann für uns nur die vorläufige Antwort auf den Antisemitismus sein, während die immer noch richtige Antwort: die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft, damit Jüdinnen*Juden eines Tages keinen Schutzraum mehr brauchen. Denn es ist die kapitalistische Vergesellschaftung, die aus sich heraus immer wieder Antisemitismus als reaktionäre Ideologie hervorbringt. In einer nationalstaatlich verfassten Welt ist die Selbstbehauptung von Jüdinnen*Juden derzeit nur als Nationalstaat möglich – mit all der Gewalt und dem Ausschluss, die jeder Nationalstaat mit sich bringt – inklusive rechter bis rechtsextremer Regierungen, Zwangsräumungen und Vertreibungen, Ausschluss, Rassismus und Herrschaft. Hier könnte Staatskritik ansetzen. Der antizionistischen Hetze gegen Israel geht es aber nicht um eine allgemeine Staatskritik. Sie beleuchtet alle Schattenseiten moderner Staatlichkeit nicht zufällig nur am einzig jüdischen Staat, der hier als antisemitische Projektionsfläche dient, um gute von böser Herrschaft zu unterscheiden, anstatt jegliche Herrschaft abschaffen zu wollen. 

Der Einsatz gegen das Leid und für die Rechte der Palästinenser*innen wird nur solange vorgebracht, solange sich daraus ein Vorwurf gegen Israel machen lässt. Und somit wird geschwiegen von den menschenverachtenden Praktiken der Hamas, des PIJ oder der palästinensischen Autonomiebehörde gegen die eigene Bevölkerung. Geschwiegen wird vom Leid jener, die über Generationen hinweg im Status von Flüchtlingen ohne Rechte und als Verhandlungsmasse gegen Israel in Zeltstädten festgehalten werden. Geschwiegen wird von der Situation der Palästinenser*innen in Jordanien oder im Libanon, die dort unter menschenunwürdigen Zuständen leben müssen. Geschwiegen wird zur Instrumentalisierung palästinensischen Leidens durch reaktionäre Bewegungen und Regime wie in der Türkei, dem Iran oder in Syrien. Diese Bewegungen speisen sich aus dem imaginierten Zusammenhalt gegen “den jüdischen Unterdrücker” und äußern im selben Atemzug Vernichtungsfantasien gegen andere Minderheiten, wie gegen Êzid*innen, Alevit*innen, Armenier*innen und Kurd*innen. 

Unsere Gedanken sind bei all jenen Menschen, die in den letzten Tagen ermordet oder verschleppt wurden, bei ihren Angehörigen und Freund*innen, bei Jüdinnen*Juden in Europa und anderswo, die nun Angst haben müssen, dass sich die Welle antisemitischer Gewalt auch hier ausbreitet. Unsere Gedanken sind bei jenen Menschen in Gaza, die sich in einer nicht selbst gewählten Situation wiederfinden, die den Vergeltungsschlägen der israelischen Armee ebenso ausgesetzt sind wie dem Terror der islamistischen Herrscher. 

Unsere Solidarität gilt genau jenen, die für das Leben und gegen den Tod einstehen, die sich eine Welt ohne Gewalt, ohne Herrschaft, Zwang und Unterdrückung, ohne Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und Islamismus wünschen.

„Die Menschen in Gaza leben seit langem in Verzweiflung und Armut und sehnen sich nach einer besseren Zukunft“, schreibt Mohammed Altlooli vom „Gaza Youth Movement“ in einen offen Brief. Er musste aus Gaza fliehen, weil er gegen die Hamas demonstrierte, die verantwortlich ist für „Zerstörung, Schmerz und Armut“. Er fordert ein „Ende des Krieges, des Tötens und des Hasses“ und wünscht sich wahre Freunde der Palästinenser*innen, die sich eindeutig gegen die Terrorherrschaft der Hamas aussprechen. 

In diesem Sinne: Free Gaza from Hamas! Gegen jeden Antisemitismus und Islamismus! Für etwas besseres als den kapitalistischen Nationalstaat! Für das Leben, gegen den Tod!