Zielperspektive der europäischen Union ist es bis zum Jahr 2030 die Obdachlosigkeit in der EU zu beenden. In ganz Österreich bräuchte es 25.000 Wohnungen aus dem Wohnungsbestand, um hier der Obdachlosigkeit ein Ende zu bereiten. In der Stadt Wien gibt es im Winter jedoch nur 900 zusätzliche Notschlafplätze. Dieses Angebot deckt weder den Bedarf noch wird dadurch eine ganzjährige Unterkunft gewährleistet. Das Neunerhaus ist in Wien exemplarisch dafür, dass die Stadt diese Thematik vor allem auf gemeinnützige Vereine und Organisationen auslagert. So ist es für wohnungslose Menschen fast unmöglich z.B. eine Wiener Gemeindebauwohnung zu erhalten, da eine zweijährige Meldung an der aktuellen Wohnadresse dafür Voraussetzung ist.
Durch die Corona-Pandemie, aber auch durch die stetige Teuerung wird es immer schwieriger eine leistbare Wohnung zu finden oder auch die eigene Wohnung zu halten. Daniela Unterholzer, Geschäftsführerin des Neunerhauses, erklärt im Jahresbericht 2021 dazu: „Die Folgen der vielfältigen Krisen und die teilweise damit verbundenen Preisentwicklungen stellen uns vor große Herausforderungen. Die eigene Wohnung halten zu können wird für viele Menschen immer schwieriger, Wohnungsverlust oft traurige Realität. Sätze wie: „Ich hätte nie gedacht, dass mir das einmal passiert“, werden wir in Zukunft wohl noch öfters zu hören bekommen.“
Eine Teilnehmerin am Housing-First-Konzept des Neunerhauses, welches wohnungslose Menschen bedingungslos mit einem eigenen Schlüssel und Mietvertrag zu einer Wohnung ausstattet, berichtet ebenfalls im Jahresbericht: „„Am privaten Wohnungsmarkt hatte ich keine Chance“„Einmal hab‘ ich eine Nachbarin von früher getroffen. Meine ehemalige Wohnung im siebten Bezirk kostet mittlerweile das Doppelte.““
Das Housing-First-Konzept verschafft Menschen nicht nur eine eigene Wohnung, sondern räumt gleichzeitig mit dem neoliberalen Argument auf, dass Menschen freiwillig in der Obdachlosigkeit leben würden. In 92% der Fälle behalten jedoch die Teilnehmer*innen nach der Betreuung durch das Neunerhaus ihr Mietverhältnis bei.
Wir stellen uns daher an die Seite der Wiener Wohnungshilfe und fordern die Stadt dazu auf das sogenannte „Winterpaket“ zu einem ganzjährigen 24h Betrieb auszubauen. Zudem erachten wir es als unabdingbar Wohnungen aus dem stadteigenem Wohnungsbestand für das Housing-First-Konzept bereit zu stellen.
Klar ist für uns aber auch, dass wir uns im kapitalistischen System nicht auf den Staat verlassen können. Unsere Forderungen an die Stadt und ihre Behörden sind deshalb nicht fehl am Platz, im Gegenteil sollen sie diese daran erinnern, dass wir Ihnen im Nacken sitzen. Aus einer revolutionären, antikapitalistischen Perspektive darf es aber nicht allein bei Appellen bleiben. Die Vereinzelung, die ein essentieller Charakter des Neoliberalismus ist, und die im Vergleich zu anderen europäischen Städten etwas zurückhaltendere Wiener Wohn- und Mietenpolitik der vergangenen Jahre, sollen uns davon abhalten, uns selbst zu organisieren. Lassen wir uns das nicht länger gefallen! Ein System, das Wohnungslosigkeit für Profite in Kauf nimmt, ist ein System, das wir gemeinsam bekämpfen müssen. Unsere Solidarität gilt allen wohnungslosen Menschen und Initiativen wie dem Neunerhaus, die sich gegen diese menschenverachtende Politik stellen! Gemeinsam für ein bedingungsloses Recht auf Wohnen!